Erich Kees als fotografischer Volksbildner
Erich Kees, der schon als Jugendlicher erste Experimente mit der Kamera unternahm, wollte ab 1948 die Fotografie ernsthafter betreiben und stieß nach einigen vergeblichen Bemühungen auf eine Gruppe Gleichgesinnter, die ebenso wie er eine neue Bildauffassung innerhalb der Fotografie anstrebten. Einige „Jungbergsteiger“, unter ihnen Max Puntigam und Otto Wallisch, hatten versucht, sich in den Räumlichkeiten der Naturfreunde Graz, Stempfergasse 6, eine provisorische Dunkelkammer zwischen Büchern und Alpingerät einzurichten.

Zu dritt nahmen sie sich vor eine eigene Fotogruppe zu gründen und begeisterten schon 1950 an die 15 Mitglieder, die ganz begierig darauf brannten, ihre neue Bildauffassung in ihren Fotos umzusetzen. Als Ältester unter ihnen wurde Erich Kees mit der Leitung der TVN (= Touristenverein der Naturfreunde) Fotogruppe Graz, wie sie sich bald nannten, beauftragt. Als Teil des Naturfreundevereins genossen sie die Vorteile weder Miete noch Betriebskosten zu bezahlen und konnten sich mit einigen Eigenmitteln und vor allem eigener Arbeitskraft entsprechende Räume adaptieren. Die Dunkelkammer konnte bei Bedarf zu einem Vortragsraum umgebaut werden und es ließ sich sogar eine kleine Fachbibliothek errichten.

Erste Vorträge, die mittels „Werbung“ in Schaufenstern von Grazer Fotogeschäften und Mundpropaganda publik gemacht wurden, mussten jedoch anfangs noch außer Haus stattfinden. So war das Dachgeschoss des Akademischen Gymnasiums erster Veranstaltungsort an dem ein Vortrag Interessierten die neue Sehweise der Fotografie vermitteln sollte. Einfachste Mittel, wie ein aufgespanntes Leintuch als Projektionswand konnten die Begeisterung der Zuschauer, die in großem Andrang heranströmten nicht schmälern. Einige davon traten sogar der Gruppe bei, um ihren Anliegen mittels Fotografie Ausdruck verleihen zu können. Nur aus dem Kulturbetrieb nahm noch niemand Notiz von den „steirischen Bildstürmern“, wie sie von Wiener Fotografenkollegen verächtlich genannt wurden.
Erich Kees und seinen „Jüngern“ ging es bei ihren Vorträgen vor allem um eine Bewusstseinserweiterungen in den gesamten kulturellen Bereich und darum ein gewisses Wertverständnis für die Fotografie zu erreichen. Anhand ausgewählter moderner Fotografien wurden die Anliegen dieser neuen Bildsprache gefordert. Bald fanden regelmäßig Fotokurse, Dunkelkammereinschulungen, Workshops und Vorträge u.a. in Kooperation mit Urania und Volkshochschule, meistens von Erich Kees persönlich abgehalten, statt.

Auch die gemeinsamen Gruppenabende hatten „Volksbildungscharakter“. Ihr oberstes Ziel war es, die TeilnehmerInnen für neue Sichterlebnisse aufzuschließen und nicht wie in etablierten Fotovereinen sich mit technischen Fragen auseinanderzusetzen. Das Wesen der Fotografie, seine Wechselbeziehung zum Menschen und seine Einbettung und vor allem Etablierung im kulturellen Kontext waren wichtige Anliegen. „Es erfüllt mich stets mit Freude, Menschen mit neuen Bereichen des Emotionellen und Intellektuellen vertraut zu machen - ihren Erlebnis- und Erkenntnisbereich auszuweiten. Die schon in Hinblick auf eine kreative Fotografie, deren Inhalt nur jenseits der Alltäglichkeit zu finden ist. Je ernsthafter eine bedeutsame Fotografie angestrebt wird umso intensiver ist eine Auseinandersetzung mit sich und der Welt des Sichtbaren, Erdachten, Erträumten nötig um kreativ in eine „neue“ Welt des Bewusstseins einzudringen.“ (Erich Kees, Fotografie in neuer Position, unveröffentlichtes Manuskript)
Ein Film über Edward Weston und Otto Steinerts Buch „subjektive fotografie“ hatten großen Einfluss auf die FotografInnen der TVN. So wurden die wöchentlichen Treffen an denen nicht nur Gruppenmitglieder teilnahmen, sondern die für jedermann frei zugänglich waren, durch Konzerte, Diskussionen mit Malern, Schriftstellern, im Kulturbereich Tätigen etc., Gastvorträgen und Tagungen erweitert.

Gemeinsame Ausstellungen, die anfangs über die Amateurfotografenwettbewerbe organisiert wurden, verhalfen der Gruppe erst langsam aber bestimmt zu nationaler Anerkennung. Die Erfolge bei diesen Wettbewerben waren für die Gruppe vor allem wichtig, um vom Dachverband der Naturfreunde Förderungen zum Weiterbestand ihrer Fotografie zu bekommen. Erst durch das Abspringen einer etablierten Künstlergruppe im Künstlerhaus (1963) wurde es ihnen möglich Fotos im Rahmen des Kunstbereichs zu zeigen.

Erich Kees sah es stets als seine Aufgabe Menschen mit Hilfe der Fotografie an ein neues Bewusstsein heranzuführen und sein persönliches Wirken in erster Linie als Volksbildner, dann erst als Fotograf - er meinte die fotografische Arbeit sei eher Nebenprodukt. Das Organisieren überließ er lieber den anderen der Gruppe, da diese, meinte er, mehr Talent dafür mitbrachten.
1953 übernahm er schließlich die Leitung aller TVN Fotogruppen in der Steiermark - vom Engagement der Grazer angesteckt, bildeten sich im gesamten Bundesland bald weitere Gruppen Fotografiebegeisterter. Aber nicht nur durch diese Tätigkeit, sondern auch durch unzählige Vorträge auch außerhalb der Steiermark, beispielsweise an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt sowie der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, in zahlreichen Institutionen in Nieder- und Oberösterreich, sowie Salzburg, ja sogar bis nach Vorarlberg war sein Engagement um die Fotografie in ganz Österreich bekannt und geschätzt. Empfehlungen an internationale Fotogruppen ergaben seine Kurs- und Vortragstätigkeit in Slowenien, Deutschland, Ungarn und der Schweiz. Hierbei stellte er nicht seine eigene Arbeit in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, sondern wählte internationale Beispiele zur Verdeutlichung seiner Aussagen über die neue fotografische Sehweise.

Mit der Idee eines steirischen Landesförderungspreises für Fotografie befasste sich Erich Kees bereits 1971, wo er versuchte ein Konzept für eine Beurteilung ernsthafter Beschäftigung mit der Fotografie zu entwickeln. 1972 konnte er mit Hilfe des damaligen Kulturreferenten Landesrat Kurt Jungwirth auch wirklich in die Tat umgesetzt werden. Kees stellte damit völlig neue Kriterien auf, wie der Forderung nach „Fotokonstellationen“, die aus einer Bilderserie von acht aussagekräftigen Aufnahmen bestand. Das Einzelbild, das ein Produkt des Zufalls sein konnte und die Mittelmäßigkeit unterstützte, wurde dadurch komplett verdrängt und ein reflektierter, überlegter Zugang zur Fotografie hervor gestrichen; Erich Kees spricht hier vom „erzieherischen“ Aspekt in der Fotografie - die serielle Fotografie als optimales Medium für eine tiefer greifende Auseinandersetzung mit „Problemen“ und Fragestellungen des Alltags. Ab 1974 wird der Preis internationalisiert, indem man die Preisträger gemeinsam mit Fotografen aus Slowenien, Kroatien, Baranja und Pecs ausstellt. Dem internationalen, Länder übergreifenden Gedanken von „Trigon“ wird hier also schon voraus gegriffen. Seit 1980 bemüht sich die Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum um eine Weiterführung des Landesförderungpreises.

Workshops und Seminarleitungen wie im Forum Stadtpark oder etwa bei den Musischen Sommerkursen in Neumarkt an der Raab, die er ab 1975 durchführte, ließen die Schar der Fotografiebegeisterten wachsen. So fruchteten seine Bemühungen, die er in missionarischem Eifer umsetzte, nicht nur auf fotografischer, sondern auch auf menschlicher Ebene. Er begeisterte Hunderte von der Wichtigkeit, ja der Möglichkeit der Bewusstseinserweiterung durch die Fotografie, war ihnen stets ein guter Lehrer und wird noch heute als „Vaterfigur“ geschätzt. Aber Erich Kees ist nicht nur Vater für unzählige FotografInnen, sondern auch Vorreiter der steirischen Fotografie überhaupt, der er Anfang der fünfziger Jahre zu internationalem Niveau verhalf und die Bahn für die heutige Entwicklung durch seine unermüdliche Tätigkeit ebnete bzw. diese überhaupt erst möglich machte.

© Jasmin Haselsteiner

Zusätzliche Informationen am Kulturserver Graz

„Erich Kees, der langjährige Lehrer und Förderer des Nachwuchses, der unentwegte Impulsgeber und Organisator innerhalb der Fotoszene unseres Landes …“
(Harald Strobl, Kleine Zeitung, 14.5.1986)

„Kees fotografiert allein mit den Augen, ohne zu denken, und genau das verleiht seinen beeindruckendsten Arbeiten ihre nahezu mystische Wirkung.“
(Harald Strobl, Kleine Zeitung, 14.5.1986)

„Poetisch und rätselhaft erscheinen denn auch viele der Motive – von ihrer dunklen und morbiden Seite.“
(Jutta Steininger, Kronen Zeitung, 2.11.1992)

„In diesem Sinne war für Ing. Erich Kees der Baum seit jeher eine besonders faszinierende Erscheinung: am Anfang stand ein „Kult mit originellen Baumpersönlichkeiten“, es folgte die Erforschung der rein formalen Welt der Baum-Details und schließlich die Darstellung der Situation des Baumes in der Stadt mit all seiner „Deplaziertheit, Verstümmelung und Degeneration“, also gewissermaßen die Klarlegung eines „sozialkritischen Aspekts spezieller Art.“
(Dr. S, Kleine Zeitung, 16.6.1972)

„[Auch] in der Arbeit von Erich Kees nimmt die Natur- und Landschaftsfotografie eine zentrale Stellung ein, zuweilen gekoppelt mit der Beschäftigung des Spiels von Licht und Schatten, bei der die grafischen Möglichkeiten von Schwarz und Weiß genutzt werden.“
(Peter Weibel, Geschichte der Künstlerfotografie, Camera Austria 15/16)

„Im „Wasser“ wirkt eine starke abstrahierende Komponente in der Bandbreite von „malerischen“ bis zu „grafischen“ Ausformungen. Das Bewegungsmotiv wird durch Wellen, Wirbel, kräuselndes Abfließen, durch Brechung an Hindernissen veranschaulicht. […] Gerade in den schlichtesten Beispielen des Wasserschleiers über dem Sand erreicht die Darstellung der Thematik ihre eindrucksvollste Präzision.“
(Werner Fenz, Erich Kees „1945-1985“, 1986)

„Wiederum ist es die „andere Seite“, die da vor den Augen des Betrachters entsteht: aneinandergereihte Eindrücke, die alle Male über das Augenscheinliche hinausgehen, hinter dem materiellen Angebot anderes ahnen lassen, Unangreifbares, Inbegriffliches allenfalls.“
(Otto Breicha, Erich Kees. Reaktionen, 1991)

„Die Natur spielt in den Arbeiten von Erich Kees eine zentrale und immer wiederkehrende Rolle; Sie ist Thema der Auseinandersetzung von den 60er bis in die 90er Jahre. Sind es einmal materielle Strukturen dieser Natur selbst, die zur Oberfläche werden, d.h. von einer Form und Oberfläche der Dinge zu einer rein visuellen, künstlichen und eigengesetzlichen Oberfläche des fotografischen Bildes, so ist es seit den 80er Jahren auch der urbane Raum, urbane Strukturen und Prozesse, die Erich Kees interessieren.“
(Reinhard Braun, Stadtpark 2, 1997)

„Der Menschen- und Naturfreund Erich Kees fotografiert durch den Spiegel seiner Umwelt mehr menschliches Tun und Sein, als so mancher Life-Fotograf mit Menschenbildern vermag.“
(Hermann Candussi, Neue Zeit, 14.5.1986)

„Die Grazer Fotoszene (und also vor allem die Grazer Fotografen) verdanken Erich Kees Beträchtliches. Er ist es gewesen, der die meisten seiner jüngeren Kollegen zu einem an Besseren und Besten orientierten Fotografieren ambitionierte.“
(Heinz Pammer, Erich Kees 1977)

„Durch seine Öffentlichkeitsarbeiten (Seminare, Förderungspreis) ist es ihm gelungen, die Fotografie im Kulturleben der Steiermark zu integrieren und damit auf internationales Niveau zu bringen.“
(Max Puntigam, Erich Kees 1977)

„Er ist als Fotograf ein Sammler von Merkwürdigkeiten, die ahnen und wähnen lassen, ängstliche oder andere Gefühle einflößen.“
(Otto Breicha, Erich Kees. Reaktionen, 1991)

„Die steirische Gegenwartsfotografie wäre ohne Erich Kees nicht das geworden, was sie heute ist. Daß Graz als ein Zentrum der österreichischen, ja mitteleuropäischen Fotografie gilt, ist nicht zu geringem Anteil sein Verdienst.“
(Heinz Pammer, Erich Kees, 1977)

„In der Steiermark blickte der Amateur Erich Kees nicht nur über die Vereins- sondern auch über die Landesgrenzen hinaus.“
(Monika Faber, 20. Jahrhundert. Geschichte der Bildenden Kunst in Österreich, 2002)